Satzfetzen
Kriminalroman
Verdammt! Er starrte aus dem Fenster seines Büros. Ein Bus fuhr vorbei, zwei Kinder mit bunten Schultaschen am Rücken zogen vorüber. Er nahm sie nicht wahr. Aus dem Radio ertönte Musik, er hörte sie nicht. Verdammt. Hatte er vorhin wirklich richtig gehört? Er war am Arbeiten gewesen, das Radio lief, wie meistens, als angenehmes Hintergrund-geräusch, er hörte nur mit halbem Ohr hin. Fast hätte er die Nachricht überhört. Kantonsrätin Angela Legler tot. Umgebracht. Gestern Nacht. Das konnte doch nicht sein.
Ein paar Minuten saß er regungslos da. Gedanken stürzten auf ihn ein, und er war nicht imstande, sie zu ordnen. Er wählte hastig die Website des Radiosenders an. Tatsächlich, er hatte sich nicht verhört. Unter den Tagesnews stand es. Legler ermordet. Gestern spät abends oder nachts. Am Schanzengraben. Das heißt – er hatte doch irgendwann nach 22 Uhr mit ihr telefoniert und sie hatte gesagt, sie sei auf dem Heimweg. Ob niemand das Gespräch mithören könne, hatte er nervös gefragt. Und
sie hatte ihn beruhigt. War sie da vielleicht schon am Schanzengraben gewesen? War sie kurz danach getötet worden? War das Gespräch etwa doch von jemandem mitgehört worden: vom Mörder? Er atmete tief durch, ihm war leicht übel. Was sollte er bloß tun? Konnte er überhaupt irgendetwas anderes tun als hoffen und beten?
Die 7000 Franken würden wahrscheinlich gefunden werden, wenn sie
sie nicht gleich auf ihr Konto eingezahlt hätte. Aber schlimmer war das Kärtchen, handschriftlich … Das war sehr dumm von ihm gewesen. Hoffentlich hatte sie es gleich weggeworfen. Wenn es rauskäme … Der Schweiß brach ihm aus. Er wäre erledigt, darüber machte er sich keine Illusionen. Einen Moment lang war sein Kopf völlig leer, dann rief er sich zur Ordnung. Er musste nachdenken und einen Weg finden zu handeln.
Aus dem Radio erklang die muntere Stimme einer jungen Moderatorin, die eine Anekdote zum Besten gab und den nächsten Musiktitel
ankündigte. Er schaltete das Radio aus.
Sein Telefon klingelte. Er warf einen Blick auf das Display und hob nicht ab. Das konnte warten. Er musste jetzt alle Möglichkeiten durchdenken und eine Lösung finden. Wie war er bloß da hineingeraten?
Es hatte so einfach ausgesehen. Ein kleines Risiko, sicher. Aber das hatte ihn auch gereizt. Er war ein bisschen ein Spieler und war bisher damit immer gut gefahren. Aber jetzt steckte der Karren im Dreck. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich heillos überfordert.
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