Ohne zu klopfen, riss Carsten Lucas
Zimmertür auf und ging ins Zimmer.
Luca saß am Schreibtisch, Kopfhörer in
den Ohren, und schaute sich eine DVD
an. Er fuhr zusammen, als Carsten ihm
die Kopfhörer aus den Ohren riss.
»He?« »Was bist du eigentlich für ein
Schwein?«, brüllte Carsten ihn an.
»Was ist denn los?«, tat Luca ahnungslos.
»Du hast Aline fertiggemacht, die ganze
Zeit schon, aber jetzt bist du zu weit
gegangen!«
»Bitte? Ist sie wieder aufgetaucht?«
»Wenn sie dort oben erfroren wäre, wäre
es deine Schuld gewesen. Hattest du es
darauf abgesehen?«
»Wo oben? Von was redest du?«
»Sie hat sich auf dem eiskalten Estrich
versteckt, weil du ihr solche Angst
eingejagt hattest.«
»Angst eingejagt? Angst ist ja ihr
Normalzustand.«
»Du hast ihr praktisch gedroht, sie zu
töten!«, schrie Carsten.
»Du musst doch diesem verrückten
Huhn kein Wort glauben«, konterte Luca
ebenso laut.
»Die ist komplett durchgeknallt. Für
solche Fälle gibt es die Irrenhäuser.«
»Sie ist nicht durchgeknallt. Sie hat
Probleme. Aber wenn man sie nicht mit
bösartiger Absicht in die Verzweiflung
treibt, ist sie ganz normal.«
»Die??«
»Sie hat sich drei Stunden im eiskalten
Estrich verkrochen, aus Todesangst
vor dir.«
Luca schnitt eine verächtliche Grimasse.
»Aber jetzt ist sie wieder gemütlich an
der Wärme?«
Nun reichte es Carsten endgültig.
»Sie denkt, dass du der Mörder bist!«
Zwei Schritte, ein Faustschlag, und Luca
blutete aus der Nase. Dennoch schlug er
zurück und Carsten hielt sich die Hand
ans Auge.
»Bist du der Mörder?«
Luca hielt sich ein Papiertaschentuch an
die Nase. Blut lief ihm übers Kinn in den
Hemdkragen.
»Bist du der Mörder?«, schrie Carsten
nochmals. »Blödsinn.« Aber der junge
Mann wirkte nicht mehr überheblich,
sondern verunsichert.
»Ich habe die Ingold nicht umgebracht.
Warum sollte ich? – Okay, ich bin bei
deiner Schwester vermutlich ein wenig
an die Schmerzgrenze gegangen. War
daneben, zugegeben. Es stimmt, dass sie
mir auf den Geist gegangen ist mit ihrer
wehleidigen Art. Aber ich wollte nicht,
dass sie da oben erfriert. Ich bin doch gar
nicht auf die Idee gekommen, dass sie in
diesen eiskalten Estrich flüchten könnte.«
»Du hast sie gewürgt«, sagte Carsten,
»sie hat mir alles erzählt.«
Luca blieb still.